Gastbeitrag von Eberhard Schrade

Eberhard Schrade, ehemaliger Unternehmer und Anwohner im Villinger Kurgebiet, hat einen Essay mit dem Titel “Der Lückenschluss der B 523 – eine historische und wirtschaftliche Betrachtung” verfasst.

  1. Die Umgehungsstraße Nord war für Schwenningen notwendig, um den Verkehr aus Richtung Stuttgart, der direkt durch Schwenningen nach Villingen führte, aus der Stadt zu bringen. Damals gab es noch keine Autobahn A 81.Die Autobahn A 81 von Stuttgart bis Singen wurde 1978 fertiggestellt. Die nördliche Umgehungsstraße um Schwenningen wurde bis zum Anschluss an den Nordring Villingen ebenfalls 1978 dem Verkehr übergeben.
  2. Die in den 60er Jahren des 20. Jahrhundert entworfene Planung des Lückenschlusses der B 523 sah dessen Realisierung in 2 Bauabschnitten vor. Die Umgehungsstraße   Schwenningen Nord wurde als der 1. Bauabschnitt des Lückenschlusses der B 523 umgewidmet, gedanklich  aber nur bis zu der strengen Kurve nach Süden, genannt “Querspange”. Der 2. Bauabschnitt der B 523 wurde als Villinger Umgehungsstraße oder “Nordzubringer” konzipiert.
  3. 1972 wurde die Fusion der beiden Städte Villingen und Schwenningen beschlossen. Der 2. Bauabschnitt wurde bis heute auf Eis gelegt. Die verkehrstechnische Zusammenführung der beiden Stadtteile Villingen und Schwenningen war wichtiger. Dies führte dazu, dass das eigentliche Ziel des Lückenschlusses, die Verbindung der A 81 mit der B 33, auf vielfältige Weise realisiert wurde: Es gibt 5 Anschlüsse an die B 33 beim Stadtteil Villingen. (siehe Grafik). Man kann ihn den “ungeplanten Lückenschluss” nennen.

Grafik: Peter Sachse, Ergänzungen: Eberhard Schrade

  1. Das Regierungspräsidium Freiburg schätzt die Baukosten für die ersten 2 km der B 523 mit der geplanten kreuzungslosen Verkehrsanbindung an die B 33 in topografisch schwierigem Umfeld beim Mönchsee auf 47,9 Mio € – das ist praktisch das Doppelte der vorherigen Projektschätzung für die gesamten 5,5 km. Die Ursachen für die hohen Kosten sind die Topografie der Landschaft, die dazu zwingt, einen Teil der Strecke mit Brückenkonstruktionen zu realisieren, und die verkehrstechnische Richtlinie, dass eine neue Bundesstraße möglichst kreuzungsfrei angeschlossen werden muss.
    (siehe auch Karten des Regierungspräsidiums unter: https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpf/abt4/ref44/strassenplanungen/b523-ortsumfahrung-villingen-schwenningen/)

Für welche Verkehrsteilnehmer ist die neue B 523 eine „Villinger Ortsumfahrung“? Nur für diejenigen, die von St. Georgen kommend zur A 81 fahren wollen (und umgekehrt), denn die Villinger Verkehrsteilnehmer müssten einen Umweg über die 4 oder 5 Auffahrten der B 33 nehmen, sie werden weiterhin die Wege des ungeplanten Lückenschlusses in Anspruch nehmen. Für den Verkehr aus der südlichen oder westlichen Umwelt (z. B. Pfaffenweiler oder Vöhrenbach/Unterkirnach) kann die Auffahrt 5 (siehe Grafik oben) von Nutzen sein. Der Verkehr auf der Peterzeller Straße wird zunehmen und einen wachsenden Widerstand der Einwohner des Kurgebiets und der Nutzer des Naherholungsgebiets hervorrufen.

Daraus ergibt sich heute die abschließende Frage: Ist der 2. Bauabschnitt der B 523, die sogenannte Ortsumfahrung – die ja nicht eine Straße mitten durch Villingen ersetzen muss, wie dies in Schwenningen der Fall war – so wichtig und notwendig, dass es die extrem hohen Kosten einschl. der drohenden gesetzlichen wie auch der politischen Auseinandersetzungen wert ist? Hat also der 2. Bauabschnitt heute 2023 überhaupt noch eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Funktion?

Der Autor meint nein und begründet das wie folgt:

  • Aufgrund der Topografie der Landschaft, durch welche die Streckenplanung führt, wird die Realisierung mit Brückenkonstruktionen zu teuer.
  • Die heute geltenden Ansprüche einer kreuzungsfreien Anbindung des Verkehrs an eine Bundesstraße (B 523) verteuern das Projekt noch mehr. Es ist dagegen zu halten, dass die B 33 von Bad Dürrheim bis Biberach/Gengenbach praktisch kaum eine kreuzungsfreie Verkehrsanbindung besitzt – mit der Ausnahme von Villingen. 
  • Die Stadtentwicklung hat seit Beginn der Planung bis heute Realitäten geschaffen, die großen berechtigten Widerspruch bei den betroffenen Bürgern der Region hervorrufen. Diese sind durch Gesetzgebung aus Natur- und Umweltschutz, Wegerechte u.a. gesetzlich gesichert.
  • Wenn die Wirtschaftlichkeit des Nordzubringers mit einer Zeitersparnis von ca. 6 – 10 min Fahrzeit begründet wird, dann sollte man bedenken, dass die Wirtschaftlichkeit eines modernen Unternehmens heute von der Qualität und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter abhängt. Die vielfältigen Qualifikationen wird unser Wirtschaftsraum nur dann finden und an sich binden können, wenn die Infrastruktur unserer Stadt (wie Wohnqualität, Naherholung, kulturelles Angebot u.a.) dem Rechnung trägt. Darauf nimmt die aktuelle Planung des Lückenschlusses nur sehr wenig Rücksicht. 

Nicht zuletzt auch in der Bedeutung, die die Planung des Regierungspräsidiums Freiburg der Peterzeller Straße zumisst. Das ergibt sich aus der neuen Gestaltung des Anschlusses der L 181 an die B 33, die sogar einen Kreisverkehr auf der L 181 vorsieht. (siehe https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpf/abt4/ref44/strassenplanungen/b523-ortsumfahrung-villingen-schwenningen/)  
Das Gebiet Germanswald und Krebsgraben ist ein wertvoller, stadtnaher Wohn- und Lebensraum, der durch die L 181 in zwei Teile getrennt wird. Die Lebensqualität dieses naturnahen Lebensraumes kann nur erhalten werden, wenn die  L181 “entschleunigt” wird. Sie darf nicht zu einer dem schnellen Verkehrsfluss verpflichteten Straße geopfert werden.

Der Autor empfiehlt grundsätzlich die leistungsfähige zweigleisige Schwarzwaldbahn zu nutzen, um den Schwerlastverkehr von der B 33 Villingen – Offenburg auf die Schiene zu bringen. Die Deutsche Bahn propagiert unter dem Motto Kombinierter Verkehr die Organisation der abschnittsweisen Verladung von LKW auf die BahnDas würde den Verkehr auf der B 33 und die Fahrzeiten der Fahrzeuglenker wesentlich entlasten und den Spritverbrauch und den CO2-Ausstoß senken