Braucht die regionale Wirtschaft den B 523-Weiterbau wirklich als „Lebensader“?

Angeblich braucht die regionale Wirtschaft den Weiterbau der B 523 dringend. Geradezu gebetsmühlenartig wird von den Befürwortern in Zeitungsberichten (meist eigenen Presseerklärungen) der Weiterbau der B523 als wichtigstes Projekt für die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft propagiert. Die Bundestagsabgeordneten Derya Türk-Nachbaur und Thorsten Frei, Oberbürgermeister Jürgen Roth waren mit drei (!) Vertretern der IHK bei Staatssekretär Michael Theurer im Verkehrsministerium – die beiden Landtagsabgeordneten Martina Braun und Frank Bonath waren lt. IHK online zugeschaltet – und alle haben sich für den Weiterbau der B523 ausgesprochen. Es werden weder Kosten noch Mühe gescheut, um hinterher die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die heimische „Wirtschaft Wege braucht“. (siehe https://www.suedkurier.de/region/schwarzwald/schwarzwald-baar-kreis/lueckenschluss-b523-hoffnung-auf-baldige-umsetzung-steigt;art372502,12020728)

Aber weder eine Umfrage der Stadt VS von 2021 noch ein Gutachten der IHK oder eine Befragung bei mittelständischen Industrieunternehmen im Frühjahr 2024 können dies belegen. Die Probleme der regionalen Wirtschaft liegen in ganz anderen Bereichen.

Drei Beispiele:

1. Unternehmensbefragung in Villingen-Schwenningen im Jahr 2021
(https://www.villingen-schwenningen.de/fileadmin/VS/Tourismus/Wirtschaft_und_investieren/Unternehmensbefragung_VS_Präsentationsfolien_20211111_Wirtschaftsempfang.pdf)
In einer Unternehmensbefragung gaben die teilnehmenden Unternehmen unter dem Stichwort “Zufriedenheit mit den Standortfaktoren” im Durchschnitt folgende Noten (1 = sehr gut, 5 = sehr schlecht):
➣ Überregionale Straßenanbindung: 2,37
➣ überregionale Schienenanbindung: 3,26
➣ örtliche Verkehrsanbindung (Straße): 2,33
➣ öffentlicher Nahverkehr (Bus/Bahn): 2,69
Die besten Noten erreichten die „örtliche Verkehrsanbindung (Straße) und die „überregionale Straßenanbindung“. Der Bau einer zusätzlichen Straße als sogenannter Lückenschluss kann daraus wohl kaum abgeleitet werden. Sehr wohl aber die Forderung nach Verbesserung der Bahninfrastruktur und des öffentlichen Nahverkehrs.

2. Das Herbstgutachten der IHK vom Herbst 2023, sowie die Stellungnahmen einiger Geschäftsführer (Dez. 2023) (Siehe auch: https://www.suedkurier.de/region/schwarzwald/schwarzwald-baar-kreis/unternehmer-in-schwarzwald-baar-rechnen-mit-schweren-zeiten;art372502,11815265)
Das Gutachten der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg (Herbst 2023) hat eine nachvollziehbare Analyse zur kritischen Lage und den schwierigen Zukunftsaussichten des Wirtschaftsstandortes Schwarzwald-Baar-Heuberg vorgelegt. Als kritische Punkte werden aufgelistet: 
➣ Bürokratiebelastung für die Unternehmen, 
➣ Fachkräftemangel,
➣ Defizite beim öffentlichen Verkehr und der digitalen Infrastruktur, 
➣ Probleme in den Bereichen Hausärzte und Kita-Plätze. 

Das bedeutet, unsere Unternehmen haben mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen, bei denen der sogenannte Lückenschluss überhaupt nicht helfen würde! Folglich müssen IHK und die Unternehmen, die Stadt VS und der Landkreis SBH ihre Anstrengungen konzentrieren, um bei diesen Defiziten Verbesserungen zu erreichen. Die ständige Forderung nach dem Straßenneubau hilft da nicht weiter.

3. Umfrage des Verbands  WVIB (Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V. – wvib Schwarzwald AG) vom Frühjahr 2024
In einer Umfrage bei mittelständischen Industrieunternehmen im Südwesten wurden ganz andere Standortprobleme genannt (Quelle: Regionale Industrie zieht es ins Ausland, Schwarzwälder Bote, 13.05.2024):
➣ Bürokratiebelastung für die Unternehmen
➣ Hohe Kosten
➣ Fachkräftemangel
➣ Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren
➣ Handelshemmnisse wie Lieferkettengesetz oder Exportkontrollen

Es nimmt dann nicht wunder, dass 9 von 10 befragten Unternehmen aktuell im Ausland investieren, z. B. in Osteuropa, USA, China, Indien. Vor allem größere Unternehmen produzieren verstärkt dort, wo die Produkte verkauft werden. 

Wir ziehen folgende Schlussfolgerung:

Der Weiterbau der B523 bringt für die Wirtschaft nicht die (dauernd wiederholte) Lösung der Probleme. Man sollte sich von Seiten der IHK, der Interessengemeinschaft Lückenschluss, der Stadt Villingen-Schwenningen und des Schwarzwald-Baar-Kreises um umweltfreundliche Alternativen kümmern. Dazu zählen der Ausbau des bisherigen Straßennetzes (mehrspurige Fahrbahnen, Kreisverkehre u.a.), die Verbesserung des ÖPNV und der Ausbau der Bahninfrastruktur (z. B. Kombiverkehr Straße, Schiene). 

Anmerkung: Das schwächste Argument in diesem Zusammenhang ist, dass den Weiterbau der B 523 der Bund bezahlen muss, während die angesprochenen „Hausaufgaben“ zu Lasten von Stadt und Kreis gehen. Aber auch die Gelder vom Bund sind unsere Steuergelder, die nicht für einen mehr als zweifelhaften Nutzen verschwendet werden dürfen, die aber viel Schaden für Natur, Umwelt und Klima anrichten würden.