1. Wie genau sieht es mit der Entlastung von innerstädtischen Straßen im Stadtbezirk Villingen aus? Kann man von einer Verkehrs-“Entlastung” sprechen?

Nachdem der geplante Neubau der B 523 jetzt offiziell als Ortsumfahrung (OU) Villingen-Schwenningen bezeichnet wird, erhoffen sich die Villinger natürlich einen signifikanten Rückgang bei den zukünftigen Verkehrszahlen.

Die Auswirkungen am Beispiel Nordring und Wieselsbergstraße

Wie die beiden folgenden Diagramme zeigen, sieht das aber sehr ernüchternd aus. Dargestellt sind die Verkehrszahlen (Fahrzeuge pro Tag) für zwei markante innerstädtische Straßen, gemäß den Zahlen des Regierungspräsidiums (RP). Die dargestellten Säulen stehen für den „Analysefall 2018“, der ein Anhaltspunkt für die aktuellen Verkehrszahlen sein soll, den „Prognose Nullfall“ für das Jahr 2040, ohne Neubau der Straße und den „Prognose Planfall J” für die vom RP bevorzugte Trasse, ebenfalls für das Jahr 2040:

Nordring und Wieselsbergstraße im Stadtbezirk Villingen

Erste Straße ist der Nordring, die innerstädtische Verbindungsstraße zwischen Villingen und Schwenningen, einer der Hauptwege zum Krankenhaus:

Verkehrszahlen lt. Regierungspräsidium Freiburg

Deutlich ist die doch geringe Entlastung durch die B 523. Die Verkehrszahlen würden 2040 auch mit dieser sogenannten Ortsumfahrung immer noch höher sein als die des Analysefalls 2018! Hier ist die Stadt gefordert, endlich wirksame Verbesserungen des innerstädtischen Verkehrs umzusetzen, zumal die Anzahl der Fahrzeuge pro Tag innerstädtisch um fast den Faktor zwei höher liegen würde als die Anzahl der Fahrzeuge, die auf der neuen Straße geplant sind.

Wie sieht das für die Wieselsbergstraße aus, die Straße, die seit Jahrzehnten von praktisch jedem Befürworter des Neubaus als „der Hauptnutzen“ ins Feld geführt wird:

Aber auch hier dasselbe Bild: Nur eine ernüchternde Verringerung der Verkehrszahlen, etwa auf den Stand heute. Und es fahren dann immer noch mehr Fahrzeuge pro Tag auf der Wieselsbergstraße als auf der geplanten Bundesstraße, die möglicherweise bis zu 100 Mio Euro Steuergeld verschlingen wird! Wann ergreift die Stadt endlich Maßnahmen, die tatsächlich auch wirken?

Verkehrszahlen lt. Regierungspräsidium Freiburg

2. Die Fortschreibung der Verkehrsentwicklung der Stadt Villingen-Schwenningen

Die Fa. Rapp ist vom Regierungspräsidium und auch von der Stadt Villingen-Schwenningen zur Fortschreibung der Verkehrsentwicklung und für verkehrliche Analysen als Gutachter beauftragt. Im Bericht der Fa. Rapp vom September 2023 wird Folgendes festgehalten:
„Der meiste Verkehr auf den Straßen von Villingen-Schwenningen ist hausgemacht. Durch Optimierung der Verkehrsführung und Vermeidung von Umwegfahrten durch Einrichtungsbetrieb kann die Verkehrsleistung insbesondere im Binnen-, Quell- und Zielverkehr reduziert werden. Darüber hinaus empfehlen sich weiche Maßnahmen des Mobilitätsmanagements zur Reduktion dieser Fahrbeziehungen (Verlagerung Modal Split zu Gunsten ÖPNV, Rad oder zu Fuß, Verzicht auf Fahrten etc.).“ (Quelle: Fa. Rapp, Fortschreibung Verkehrsmodell und verkehrliche Analysen, S. 18)
Der Nutzen zur innerstädtischen Entlastung ist, wie die Fa. Rapp bestätigt, gering.

Die Firma Rapp geht in der Fortschreibung der Verkehrsentwicklung von einem Planungshorizont 2035 aus – das Regierungspräsidium Freiburg legt die Prognosen auf den Planfall 2040 fest. Beide kommen jedoch zu der Feststellung, dass es durch den Weiterbau der B523 Gewinner und Verlierer geben würde. Aber Vorsicht: Die Zahlen sind Prognosen, keine unveränderlichen Werte (siehe dazu auch die Studie “Zukunftsfeste Infrastrukturplanung” des österreichischen Umweltbundesamtes vom März 2024).

            

Entlastet würden laut Gutachten der Fa. RappBelastet würden laut Gutachten der Fa. Rapp
➣ die 1.700 Einwohner von Obereschach mit 16% weniger Verkehr➣ das Wohngebiet Haslach/Wöschhalde mit rd. 7.000 Einwohnern mit 128 % mehr Verkehr
➣ die 1.300 Einwohner von Weilersbach mit 52% weniger Verkehr➣ die Peterzeller Straße durch das Kurgebiet mit 15% mehr Verkehr
➣ die Straße durch Nordstetten (150 Einwohner) mit 33% weniger Verkehr➣ die Berliner Straße 
➣ die Kreuzung am Schwalbenhaag mit 10% weniger Verkehr➣ die B33 westlich der Auffahrt an der  Obereschacher Straße
➣ der Außenring mit 9% weniger Verkehr ➣ die Ortsdurchfahrt von Mönchweiler 
➣ die B33 östlich Villingen mit 1,5% weniger  Verkehr➣ die Dauchinger Straße in Schwenningen 
Quelle: Fa. Rapp, Fortschreibung Verkehrsmodell und verkehrliche Analysen

Anmerkungen:

  1. Beim Außenring ist zu berücksichtigen, dass mit dem beabsichtigten Neubau eines Bades dort deutlich mehr Verkehr entstehen würde. Außerdem hat das Grünflächen- und Tiefbauamt der Stadt Villingen-Schwenningen eingeräumt, dass durch die Entscheidung des RP Freiburg, keine weiteren Straßenanschlüsse zu planen, der Nordring durch die Erschließung weiterer Flächen (z. B. Salzgrube) und den Bau eines großen Bades völlig überlastet wäre. Diese Überlastung kann nicht auf einer neuen B523 aufgenommen werden, sondern macht den mehrspurigen Ausbau des Nordrings plus Kreisverkehre unumgänglich.
  2. Die Durchfahrten Weilersbach und Nordstetten könnten/sollten mit 30er- oder 40er-Zonen anwohnerfreundlicher gestaltet werden.