In der Pressemitteilung vom 1. August 2025 informierte das Regierungspräsidium Freiburg über den Vorschlag für die „Vorzugsvariante der Ortsumfahrung Villingen-Schwenningen“. Dieser Vorschlag liegt jetzt zur Entscheidung beim Landesverkehrsministerium Baden-Württemberg und beim Bundesministerium für Verkehr in Berlin:
➣ Die neue B523 wird „untergeordnet über ein sogenanntes halbes Kleeblatt an die B33“ angeschlossen (Variante 6.2).
(Anmerkung: „untergeordnet“ heißt nichts anderes als lichtsignalgesteuerte Knotenpunkte B523/B33 West und Ost – Staus sind vorprogrammiert.)
➣ Weiter östlich davon verläuft die Trasse südlich der „alten Ziegelei“ (Variante C Süd).
➣ Die L178 (von Villingen nach Obereschach) und die K5709 (von Villingen/Nordstetten nach Weilersbach/Kappel) werden nicht an die Bundesstraße angeschlossen.
➣ Der bestehende Anschluss der bisherigen B523 an die K5707 (Weilersbacher Straße) wird zurückgebaut und gemeinsam mit der Querspange zum Nordring an die B523 angeschlossen.
Die Bürgerinitiative NORDZUBRINGER NEIN DANKE nimmt die Vorschläge des RP in Bezug auf den Anschluss an die B33 beim Mönchsee und bei der „Alten Ziegelei“ genauer unter die Lupe (siehe dunkle Kreise in der Karte).

Karte: Regierungspräsidium Freiburg, dunkle Kreise: BI NORDZUBRINGER NEIN DANKE.
Die dunklen Kreise zeigen die problematischen Gebiete mit dem Anschluss der (neuen) B523 an die bestehende B33 beim Mönchsee (linker Kreis) und das Areal „Alte Ziegelei“ (rechter Kreis).
1. Der Anschluss der B523 an die B33 im Bereich Mönchsee
Die mögliche Variante 5.2
In der näheren Auswahl für den Anschluss der neuen B523 an die B33 beim Mönchsee stand die Variante 5.2 als übergeordnete Bundesstraße mit einem großen Brückenbauwerk und einem teilweisen Rückbau der B33. Diese Variante ist verkehrstechnisch günstiger, hat aber nur einen Nutzen-Kosten-Faktor von 0,89 bzw. kleiner 1, ist also nicht wirtschaftlich. Die Gutachter schlagen daher diese Variante nicht vor!

Karte: RP Freiburg
Die vom Regierungspräsidium für die Planung beauftragte Firma Rapp sieht in der Variante 5.2 klare Vorteile im „Bereich des strengen Artenschutzes, der Vernetzung von Feuchtgebieten und der Beseitigung der Barrierewirkung durch den Rückbau der B 33“. Das Brückenbauwerk könnte als Durchlass (unterhalb der Brücke) für die nachgewiesenen Fledermausarten und auch als Wanderkorridor für Säugetiere, Reptilien, Amphibien und Insekten dienen. Zudem würden Feuchtbiotope und Lebensräume vernetzt, die bisher durch die B33 getrennt sind. Das große Brückenbauwerk treibt allerdings die geschätzten Kosten so in die Höhe, dass mit Gesamtkosten in Höhe von 98 Millionen Euro zu rechnen wäre und der Nutzen-Kosten-Faktor bei 0,89 liegen würde. Damit würde der Faktor unter der erlaubten Grenze von 1,0 liegen und das Projekt müsste als nicht wirtschaftlich beurteilt werden.
Die favorisierte Variante 6.2
Bei der Variante 6.2 wird die (neue) B523 untergeordnet über ein sogenanntes halbes Kleeblatt an die B33 angeschlossen. Die B33 bleibt in der jetzigen Form bestehen. Diese Variante entspricht nicht den Empfehlungen der UVS (Umweltverträglichkeitsstudie), dennoch wird diese Variante vorgeschlagen, weil sie einen besseren Nutzen-Kosten-Faktor hat.

Karte: RP Freiburg
Bei dieser Anschlussvariante wird südlich des Mönchsees ein Brückenbauwerk mit einer Länge von ca. 126m über den Krebsgraben sowie über die bestehende B 33 errichtet. Die übergeordnete B33 bleibt in der bisherigen Form bestehen und verläuft unter dem neuen Brückenbauwerk. Die untergeordnete B523 wird durch zwei sogenannte Teilknoten an die B33 angeschlossen, die beiden Anschlüsse werden als „Einmündung mit Lichtsignalanlage“ geplant. In der Karte haben wir die Anschlüsse jeweils mit einem roten Pfeil gekennzeichnet. Beim dritten Anschluss (in der Karte ganz links) wird die neue B523 an die Peterzeller Straße angeschlossen, auch dort erfolgt die Einmündung mit Hilfe einer Lichtsignalanlage. Alle drei Lichtsignalanlagen haben naturgemäß Wartezeiten zur Folge, damit wird die vielbeschworene Fahrtzeitverkürzung zum Teil wieder verringert – die Fa. Rapp rechnet mit Reisezeitverlusten durch die Ampelanlagen.
Die jetzt vorgesehene Variante 6.2 schneidet aus artenschutzrechtlicher Sicht schlechter ab als die Variante 5.2, denn nach Angaben der Fa. Rapp gibt es erhebliche Auswirkungen auf die verschiedenen Lebensräume. Dadurch werden Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, deren Kosten noch nicht beziffert werden können.
Diese Variante wird aber aus wirtschaftlicher Sicht favorisiert, da sich bei geschätzten Kosten von 78,69 Mio. € (Brutto) ein Nutzen-Kosten-Faktor von 1,3 ergibt. Der Faktor 1,3 ist damit gerade noch im Bereich der Wirtschaftlichkeit des Projekts. Allerdings gibt es noch große Unsicherheiten in mehreren Bereichen: Die Baupreise steigen durchschnittlich jährlich um mehr als 5 % (das wären für die B523 jährlich rund 4 Millionen Euro). Die Kosten für die Bewältigung der Altlasten bei der Deponie „Biswurm“ und der „alten Ziegelei“ sind noch nicht ansatzweise beziffert. Sie kämen aber zu den knapp 79 Millionen Euro dazu, der Nutzen-Kosten-Faktor würde aller Wahrscheinlichkeit nach unter den Wert von 1,0 sinken.
Außerdem dürfen erhöhte Kosten für den Erhaltungsaufwand in einem topografisch anspruchsvollen Gelände nicht außer Acht gelassen werden. Die BI NORDZUBRINGER NEIN DANKE hat insgesamt 14 Brücken in den Plänen ausgemacht, für die ein besonderer Erhaltungsaufwand einzuplanen ist:
- 7 Brücken über Rad-/Wirtschaftswege bis 10 m
- 4 Brücken zwischen 11,5 und 16 m
- 1 Brücke mit 35 m Länge
- 1 Brücke mit 50 m Länge
- 1 Brücke mit 126 m Länge
2. Die Trassenführung bei der „Alten Ziegelei“
Variante A (Nord)

Karte: RP Freiburg
Die Variante A (Nord) verläuft durch eine Industriebrache oberhalb der „alten Ziegelei“, die vor einigen Jahren als Lebensraum für die Kreuzkröte festgemacht wurde. Eine Umsiedlung wäre zeit- und planungsaufwändig und deshalb wird die nördliche Variante nicht weiter verfolgt.
Variante B (Mitte)

Karte: RP Freiburg
Die Variante B Mitte würde durch das alte Ziegeleigebäude verlaufen. Das noch bestehende Ziegeleigebäude könnte ein Quartier für Fledermäuse und gebäudebrütende Vogelarten sein. Vor einem Abriss, der im Winter erfolgen sollte, müsste eine „Umweltbaubegleitung“ eingeplant werden und zudem sollten „Ausgleichskästen“ für Vögel und Fledermäuse aufgehängt werden. Nicht bekannt sind mögliche Vorbelastungen, mit denen man bei einer alten Industriebrache immer rechnen muss. Die Variante Mitte wird nicht weiter verfolgt.
Ausgewählte Variante C (Süd)

Karte: RP Freiburg
Die ausgewählte Variante südlich der „Alten Ziegelei“ ist wohl aus artenschutzrechtlicher Sicht nicht problematisch, allerdings muss hier mit Abfällen aus der Galvanik, insbesondere Galvanikschlämme, gerechnet werden, die überwacht und entsorgt werden müssen. Der größte Nachteil ist die Nähe zur Wohnbebauung im Wohnbezirk Haslach-Wöschhalde und im Gewerbegebiet Vockenhausen, da mit (zusätzlicher) Lärmbelastung gerechnet werden muss (unabhängig von eventuellen Lärmschutzmaßnahmen) und mit einer Verschlechterung der Luftqualität. Für die Tilsiter Straße im Wohngebiet Haslach beispielsweise werden nach der schalltechnischen Untersuchung (veranlasst durch das RP Freiburg) sowohl tagsüber als auch nachts die Werte überschritten, die lt. städtebaulicher Lärmfibel Baden-Württemberg vorgegeben werden. Erlaubt sind in reinen Wohngebieten bis 50 Dezibel (dB) tags und bis 35 Dezibel nachts, in der Tilsiter Straße liegen die prognostizierten Werte tags über 50 dB und um die 45 Dezibel nachts.
3. Auswirkungen auf die Schutzgüter Mensch, Pflanzen und Tiere, Boden, Wasser, Klima und Luft, Landschaft
Bei einem Straßenprojekt müssen mögliche Auswirkungen auf die fünf Schutzgüter Mensch, Pflanzen und Tiere, Boden, Wasser, Klima und Luft sowie Landschaft untersucht werden. Die Fa. Rapp hat detailliert die Auswirkungen durch einen Weiterbau der B523 festgehalten, wir geben einen Überblick:
➣ Schutzgut Mensch
Es gibt Beeinträchtigungen durch Lärm und Luftverschmutzung, natürliche Erholungsräume gehen verloren, ebenso Klimaschutzwälder bei Nordstetten und Immissions- und Sichtschutzwald bei der „alten Ziegelei“. Die Wälder im Trassenbereich insgesamt verlieren zum Teil die Funktion als Erholungswald.
➣ Schutzgut Pflanzen und Tiere
Die Trasse der neuen Bundesstraße trifft auf „hochwertige Vegetationsbestände im Naturschutzgebiet (NSG) Mönchsee-Weiherwiesen sowie im Landschaftsschutzgebiet (LSG) Mönchsee-Weiherwiesen“. Der Trassenverlauf befindet sich innerhalb des Vogelschutzgebiets „Baar“ sowie des Naturparks „Südschwarzwald“. Zudem werden ein Biotopverbund für feuchte Standorte und ein Biotopverbund für trockene Standorte tangiert. Im Untersuchungsgebiet zeigt sich eine hohe Tierartenvielfalt mit einem „signifikanten Anteil an streng geschützten Tierarten“, im Bereich des Mönchsees wird eine „hohe Dichte an Fledermausarten“ festgestellt.
➣ Schutzgut Boden
Die Offenlandflächen zwischen „Ziegelei“ und Querspange sind aus landwirtschaftlicher Sicht hochwertig, die geplante Bodenversiegelung führt zu erheblichen Beeinträchtigungen, da weniger Wasser gespeichert und gefiltert werden kann. Die „Oberflächenabflussrate“ wird erhöht, dadurch kann es zu „Erosion, Überschwemmungen und einer verminderten Grundwasserneubildung“ kommen. Fruchtbarer Boden geht verloren, die biologische Aktivität wird geringer, die Bodenqualität wird schlechter.
➣ Schutzgut Wasser
Für den „Krebsgraben“ als größtes Fließgewässer wird es die „gravierendsten Auswirkungen“ geben in Hinsicht auf den Wasserhaushalt (Speichern und Abgeben von Wasser, Vermeidung von Hochwasser).
➣ Schutzgut Klima und Luft
Durch den Verlust von Wald- und Wiesenflächen kommt es zwangsläufig zu einer Erhöhung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre und zu einer Verringerung der Biodiversität (Artenvielfalt). Die natürliche Verdunstung wird geringer, die Kaltluftverhältnisse verschlechtern sich, das Mikroklima verändert sich, die Temperaturen werden höher, das Wohlbefinden der Menschen wird beeinträchtigt. Das „Strömungsmuster von Luftmassen“ wird durch Straßenbau verändert, der Windfluss kann behindert oder umgelenkt werden. Außerdem besteht das Risiko von „erhöhten Staub- und Schadstoffkonzentrationen“.
➣ Schutzgut Landschaft
Straßenbau führt zur Versiegelung von Böden und zum Verlust von „wertvollen Lebensräumen wie Wäldern, Wiesen und landwirtschaftlichen Flächen“. Die Biodiversität wird beeinträchtigt, das Landschaftsbild durch Zerschneidung verändert, das Wander- und Fortpflanzungsmuster der Tiere wird beeinflusst.
Fazit: Wenn man sich die Summe der Beeinträchtigungen in allen sechs Schutzgütern vor Augen führt, kann man nicht verstehen, dass ein solches Straßenprojekt in einer so schutzwürdigen und topografisch anspruchsvollen Landschaft ausgeführt werden soll. Ein sofortiger Planungsstopp ist das Gebot der Stunde!
Karten und Zitate: Voruntersuchung/Erläuterungsbericht der Fa. Rapp, März 2025, im Auftrag des RP Freiburg